Sozialversicherung: Risiko gerecht verteilen!

Um gleiche Leistungen für alle Versicherten zu ermöglichen, braucht es einen Ausgleich zwischen den Kassen!
Wie sich nun herausgestellt hat, bringt der türkis-blaue Kassenumbau statt der versprochenen „Patientenmilliarde“ einen riesigen Schuldenberg. Jedoch ist das Minus ungleich verteilt: Während die neue Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) in den nächsten Jahren laut Prognosen immer tiefer in die roten Zahlen rutschen wird, schaut es bei der ebenfalls neu geschaffenen Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) finanziell deutlich besser aus.

Risiko unterschiedlich verteilt
Seit Jahresbeginn gibt es in Österreich neben der neuen Österreichischen Gebietskrankenkasse (ÖGK), die mit Abstand die meisten Versicherten versorgt, auch die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) sowie die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB). In diesen drei Kassen gibt es eine jeweils unterschiedliche Risikostruktur, d.h. dass sich in einzelnen Krankenkassen gewisse Risiken (niedriges Einkommen, Krankheiten, Alter, etc.) sammeln und dies für die Versichertengemeinschaft zu einer ungleichen Belastung führt.

Finanzielles Risiko fair aufteilen
Der sogenannte „Risikostrukturausgleich“ teilt dieses finanzielle Risiko zwischen den Krankenkassen fair auf. Wichtigstes Ziel dabei muss sein, allen Menschen eine gute Versorgung auf hohem Niveau bieten zu können. Von den ArbeiterInnen und Angestellten bis hin zu den Selbstständigen können so die Leistungen über alle Krankenversicherungsträger hinweg vereinheitlicht werden.

Beispiel Deutschland
Dabei muss das Rad nicht neu erfunden werden. Ein Blick über die österreichischen Grenzen hinaus zeigt: Ein finanzieller Ausgleich zwischen den Krankenversicherungen ist bereits gelebter Alltag. In Deutschland etwa werden 100 Prozent aller Beiträge zwischen den Trägern neu verteilt. Und auch in Belgien, den Niederlangen und der Schweiz ist ein Ausgleich zwischen den Kassen bereits Realität.

Hier geht’s weiter zum Interview mit Ingrid Reischl, leitende Sekretärin des ÖGB:

Oegb.at: Die zentrale Forderung des ÖGB lautet: Gleiche Leistungen für alle Versicherten. Wie kann dieses Ziel erreicht werden?

Reischl: Ein gut funktionierendes Gesundheitssystem muss allen Versicherten gleiche Leistungen auf höchstem Niveau garantieren. Durch den sogenannten Risikoausgleich wird das möglich. Er schafft eine faire Finanzierung, wodurch gleiche Leistungen für alle ermöglicht werden.

Was ist ein Risikoausgleich denn genau?
Im Detail schafft der Risikoausgleich eine solidarische Voraussetzung zur Finanzierung der unterschiedlichen Krankenkassen. Beispielsweise könne damit der höhere Versorgungsbedarf in Großstädten oder geringere Einnahmen von Geringverdienenden ausgeglichen werden. Denn: In manchen Krankenversicherungen sind vermehrt Menschen versichert, die überdurchschnittlich gut verdienen. Gleichzeitig sind in anderen Trägern überdurchschnittlich viele Versicherte, die nur geringe Beiträge leisten oder unter chronischen Krankheiten leiden.

Der Risikoausgleich teilt also dieses finanzielle Risiko zwischen den Krankenkassen fair auf. Das klingt aber auch nach viel Vorplanung, geht das so auf die Schnelle?
Nein, wir müssen uns dem Ziel schrittweise nähern. Der Risikoausgleich ist nicht von heute auf morgen möglich. Dazu braucht es fundierte wissenschaftliche Analysen und Modelle. Eine Möglichkeit, um rasch die notwendigen finanziellen Mittel zu Verfügung zu stellen, könnte die Weiterentwicklung des Systems der sogenannten Hebesätze sein. Diese Hebesätze sind ein bereits bestehendes Ausgleichsinstrument im Sozialversicherungssystem. Durch eine Angleichung aller Sätze könnten die Krankenversicherungen für PensionistInnen gleich viel erhalten wie die SVS für pensionierte Landwirte, die aktuell den höchsten Hebesatz haben. Das kann aber auch nur eine Zwischenlösung sein…

…um dann den Risikoausgleich einzuführen. Gibt es so einen Risikoausgleich in anderen Ländern?
Den gibt es beispielsweise in Deutschland oder in der Schweiz.Was dort bereits gelebte Realität ist, könnte damit auch in Österreich zu mehr Solidarität in der Versichertengemeinschaft führen. Auch in Belgien oder den Niederlanden kommen ähnliche Ausgleichsmodelle zur Finanzierung des Krankenversicherungssystems zum Einsatz. Dieser Ausgleichsmechanismus schafft mehr Gerechtigkeit über alle Krankenversicherungsträger hinweg.
(Information des ÖGB, 17.02.2020)

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