Sozialstaat in Österreich stärken und ausbauen
Ohne Sozialleistungen und Pensionen wären 37 Prozent der oberösterreichischen Bevölkerung armutsgefährdet.
Durch sozialstaatliche Leistungen reduziert sich dieser Anteil auf rund zehn Prozent.Der Sozialstaat stärkt die Einkommen und verhindert dadurch oftmals Armut.
Das ist nur eines von vielen Argumenten, die für das neue Leseheft „Warum wir den Sozialstaat brauchen“ zusammengetragen wurden. Armutsnetzwerk OÖ., Arbeiterkammer, OÖ. Gebietskrankenkasse und Kath. Kirche stellten in Linz diese kostenlose Broschüre vor.
Grundstein wurde vor 125 Jahren gelegt
Vor genau 125 Jahren, im Jahr 1889, wurde erstmals eine Sozialversicherung im heutigen Sinne gegründet. Damit war der Grundstein für einen modernen Sozialstaat gelegt. Weitere Schritte sind – insbesondere im Hinblick auf einen investiven Sozialstaat – sowohl sozial- als auch wirtschaftspolitisch notwendig.
Österreich zählt zu den relativ gut entwickelten Sozialstaaten. Seit Jahren liegt die Sozialquote zwischen 28 und 30 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Sozialausgaben haben sich in den letzten Jahren trotz Wirtschafts- und Finanzkrise relativ stabil entwickelt. Der Sozialstaat ist also finanzierbar und leistet viel für die Menschen und auch für die gesamte Volkswirtschaft in Österreich.
Es geht um Gerechtigkeit
„Wir werden alles daran setzen, dass das soziale Netz auch in Zukunft stabil bleibt, gerecht finanziert wird – und auch weiter bedarfsgerecht ausgebaut wird“, so AK-Vizepräsident Harald Dietinger. „Denn ein starker Sozialstaat schützt vor sozialen Risiken. Er fördert durch Investitionen Arbeitsplätze und somit auch die Vereinbarkeit von Beruf, Familien- und Privatleben. Soziale Sicherheit schafft sozialen Frieden, verringert soziale Ungleichheit und ist eine stabile Säule in Krisenzeiten. Der Sozialstaat nützt somit allen – Jungen und Alten, Armen, der Mittelschicht und sogar den Reichen, die viel zu wenig dazu beisteuern.“
Nur Reiche profitieren vom „schlanken Staat“
Einen „schlanken Staat“ könnten sich nur Reiche leisten. Bei einem Abbau der Sozialsysteme würden nämlich die sozialen Probleme explodieren. Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung würden massiv zunehmen. Steigende Ungleichheiten wären nicht nur negativ für den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung einer Gesellschaft.
Solidarität: Gesunde zahlen für Kranke
Eine wesentliche Säule des österreichischen Sozialsystems ist die soziale Krankenversicherung, zu der auch die OÖGKK zählt. Sozial bedeutet: Ihr Handeln zielt – im Gegensatz zu privaten Versicherungen – nicht auf Gewinne oder Dividenden. Die OÖGKK grenzt daher auch keine Menschen aus, deren Gesundheitskosten die persönlich geleisteten Beiträge übersteigen könnten (keine Riskenauslese).
„Der solidarische Gedanke ‚Einer für alle – alle für einen‘ ist gerade in der Gesundheitsversorgung unverzichtbar“, sagt OÖGKK-Obmann Albert Maringer. „Gerade schwere Krankheit nimmt keine Rücksicht darauf, ob jemand gerade Geld für eine Therapie hat oder nicht. Nur in einem starken, solidarischen Netz können wir uns gegenseitig die Sicherheit geben, einander im entscheidenden Moment aufzufangen.“
Das vor 10 Jahren vorgelegte und jetzt wieder aktualisierte Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich hält den Wert von sozialstaatlicher Sicherung fest. Der Sozialstaat ist die solidarisch organisierte Absicherung zentraler Lebensrisiken wie Krankheit, Alter und Erwerbslosigkeit.
Kirche will gerechte Besteuerung
„Im Zuge neoliberaler Politik hat sich die Lebenssituation für viele Menschen in Europa verschärft, immer mehr leben in Unsicherheit und Armut“, so Mag.a Edeltraud Artner-Papelitzky vom Pastoralrat der Diözese Linz. „Auch in Österreich steigt die Ungleichheit ständig. Wir sind gefordert, dieser Entwicklung einerseits mit einer gerechten Besteuerung und andrerseits mit einer Verstärkung des sozialen Netzes zu begegnen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Solidarität gewinnt als Begriff und Wert wieder an Bedeutung.“
Sozialstaat verhindert Armut
Ohne Sozialleistungen und Pensionen wäre fast die Hälfte der Bevölkerung (44 Prozent; Oberösterreich 37 Prozent) von Einkommensarmut (weniger als 1090 Euro/Monat bei einem Einpersonenhaushalt) bedroht, zeigt das Armutsnetzwerk Oberösterreich auf. Durch den Sozialstaat reduziert sich dieser Anteil auf rund 14 Prozent (Oberösterreich zehn Prozent) der Bevölkerung. Draus kann man ableiten, dass der Sozialstaat Armut verhindert.
„Die Sparpolitik der öffentlichen Hand ist mit hohen sozialen Risiken verbunden“, so Susanne Stockinger vom Armutsnetzwerk. „Sie verstärkt den weiteren Anstieg sozialer Ungleichheit und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das Armutsnetzwerk erwartet sich, dass die Politik den Menschen klar macht, dass ein solidarisches Sozialsystem kein ‚Verschleudern‘ der Einnahmen darstellt, sondern die Grundlage unseres Wohlfahrtsstaates bildet.
Mehr Investitionen in der Sozialpolitik
Armutsnetzwerk, Pastoralrat, AK und OÖGKK fordern gemeinsam eine Stärkung des Sozialstaates, indem der Staat mehr in die Sozialpolitik und den Ausbau der sozialen Dienste investiert. Weiters muss das Sozialsystem gerechter finanziert werden, Armut und soziale Ausgrenzung müssen nachhaltig bekämpft werden.
Kostenloses Leseheft
Das Leseheft „Warum wir den Sozialstaat brauchen“ ist kostenlos erhältlich bei: Sozialplattform OÖ.
office@sozialplattform.at
Telefon (0732) 66 75 94
(Information der AK OÖ., 16.06.2014)