Der ewige Streit um mehr Urlaub

Urlaub

Das Gefühl vor einem Urlaub kennt jeder Arbeitnehmer – gleichermaßen das Gefühl, zu wenig davon zu haben.

Eine Woche mehr Urlaub gibt es derzeit vielfach nur, wenn Beschäftigte 25 Jahre durchgehend im selben Unternehmen arbeiten. Gewerkschaften fordern mit Verweis auf mehr psychische Erkrankungen bereits seit längerem eine Neuregelung – eine sechste Woche Urlaub sollte ab einem gewissen Alter jeder bekommen.

Positive Signale kommen regelmäßig aus dem Sozialministerium. Doch für die Arbeitgeberseite ist mehr Urlaub kein Thema, schließlich sei an Burn-out kaum die Arbeit schuld, heißt es aus der Wirtschaftskammer.

Fünf Wochen Urlaub stehen jedem Arbeitnehmer in Österreich zu. Erst nach 25 Dienstjahren beim selben Arbeitgeber erhöht sich der Anspruch auf sechs Wochen. Genau an diesem Umstand spießt es sich zwischen Arbeitnehmervertretern und Arbeitgebern. Die Standpunkte sind grundverschieden – trotzdem wird die Debatte von mehreren Seiten hin- und hergespielt und zieht sich wie ein Kaugummi.

Den Vertretern der Arbeitnehmer, die seit 2011 bei Verhandlungen der Kollektivverträge (KV) die sechste Urlaubswoche im Akkord auf den Verhandlungstisch legen, geht es um das „schnellere Erreichen“ dieser zusätzlichen Woche. Zwar gibt es eine sechste Woche Urlaub bereits, jedoch kommen nur jene in den Genuss, die es auf 25 Dienstjahre in einem Betrieb bringen. Erst ab dem 26. Dienstjahr erhält man Anspruch darauf.

Beschränkte Anrechnung
Zwar müssen nicht alle Jahre im selben Unternehmen abgeleitet werden, angerechnet werden können Arbeitsverhältnisse über sechs Wochen – diese zählen dann jedoch kumuliert nur maximal fünf Jahre, selbst wenn die addierten Dienstzeiten (oder auch einzelne Dienstverhältnisse, Anm.) weit länger dauerten.

Auch angerechnet werden können Schul- und Studienjahre eines abgeschlossenen Studiums (Pflichtschuljahre zählen nicht, Anm.) – jedoch maximal zwölf Jahre. Das bringt es mit sich, dass selbst ein 20-jähriges, durchgängiges Dienstverhältnis nach Kündigung nur zu einem Bruchteil angerechnet werden kann.

Geänderte Bedingungen, Frauen benachteiligt
Daran und an anderen Dingen stoßen sich Arbeitnehmervertreter, aufgrund der modernen Arbeitsrealität sei ein „Erreichen der sechsten Urlaubswoche praktisch unmöglich“, meint Karl Proyer, stellvertretender Geschäftsführer der GPA-djp, der mit 270.000 Mitgliedern größten ÖGB-Teilgewerkschaft, im Gespräch mit ORF.at. „Durch die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt – Leistungsdruck und deutlich erhöhte Mobilität – reichen Urlaubsansprüche nicht mehr aus“, so Proyer.

Zudem werde die Realität verkannt: „Unternehmen verändern sich ständig, oft wird gleiche Arbeit unter geänderten rechtlichen Bedingungen geleistet.“ Proyer argumentiert mit der systemischen Benachteiligung von Frauen: „Frauen arbeiten vielfach unter Bedingungen, die einen Jobwechsel alle zwei, drei Jahre erfordern – etwa im Dienstleistungsbereich“, so der Gewerkschaftler. Auf lange Sicht mache das ein Erreichen der sechsten Urlaubswoche für Frauen praktisch unmöglich.

Die Lösung sei entweder eine „großzügigere Anrechnung“ von Vordienstzeiten oder eine sechste Urlaubswoche ab einem bestimmen Alter – für alle. Besonders im Handel sei das ein wichtiges Thema – schließlich kämen nur fünf Prozent der Angestellten in den Genuss einer sechsten Urlaubswoche.

„Wir sind bereits sehr großzügig“
Die Arbeitgeberseite sieht die derzeitigen Anrechnungsmodalitäten hingegen bereits maximal ausgeweitet: „Da sind wir schon sehr großzügig“, hieß es dazu während der letzten Handels-KV-Verhandlungen von Arbeitgeber-Chefverhandler Peter Buchmüller, Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Salzburg. Überhaupt kommen seitens der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) deutliche Signale, die Forderungen nach einer sechsten Urlaubswoche werden nicht zuletzt mit Verweis auf die Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplatzsicherheit kategorisch abgelehnt.

WKÖ: Keine höhere Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt
Die WKÖ sieht ihre grundlegende Ablehnung durch zwei Argumente gestärkt. Erstens würden ohnehin mehr Menschen die sechste Urlaubswoche in Anspruch nehmen als früher, und zweitens würde die Kluft zwischen Personalkosten und Anwesenheitszeiten auseinandergehen, was den Faktor Arbeit teurer mache, so Rolf Gleißner von der WKÖ im Gespräch mit ORF.at. Das von Gewerkschaftsseite oft genannte Argument der höheren Mobilität und höherer Fluktuation gelte nicht: „Die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt hat nicht zugenommen, ich kann keine höhere Fluktuation erkennen“, so Gleißner.

Auf höheres Pensionierungsalter reagieren
Die Arbeiterkammer (AK) hält dem entgegen, dass sich die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer durch mehr Urlaub steigern würde – die AK OÖ verweist dabei auf den jährlich erstellten Arbeitsgesundheitsmonitor: Dieser zeige, dass bereits knapp jeder Dritte (29 Prozent) der Beschäftigten in Österreich psychisch stärker belastet ist – häufiger werdende Symptome seien Erschöpfungszustände und Depressionen bis hin zu Burn-outs, erklärt AK-ÖO-Präsident Johann Kalliauer gegenüber ORF.at.

„Weil andererseits das Pensionierungsalter angehoben werden soll, sind längere Erholungsphasen unbedingt notwendig. Als ersten Schritt müssen die sechs Wochen unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem Unternehmen gewährt werden“, argumentiert Kalliauer.

„Erkrankungen nicht aufgrund von Arbeit“
Doch auch hier hakt die WKÖ ein: Die sechste Urlaubswoche sei als „Belohnung“ für „besonders firmentreue“ Mitarbeiter zu definieren, allein deswegen sei die Stoßrichtung eines erleichterten Zugangs zur sechsten Urlaubswoche die falsche. Das vielgenannte Hauptargument der Gewerkschaft, wonach die moderne Arbeitsrealität immer mehr psychische Erkrankungen hervorrufe, gelte für die WKÖ auch nicht – schließlich gebe es viele Faktoren, die Krankheitsbilder hervorrufen würden. „Wir verbringen nur zehn Prozent unseres Lebens mit Arbeit. Es gibt viele andere Faktoren, die Erkrankungen fördern“, so Gleißner.

Industrie: Flexibilisierung der Arbeitszeit?
Im Bereich Industrie steht fernab der Diskussion über mehr Urlaub die Arbeitszeit zur Diskussion: Hier steht in der Debatte eine Flexibilisierung (Arbeitgeber) einer Verkürzung (Arbeitnehmer) entgegen, wie es die Industriellenvereinigung (IV) zum Ausdruck bringt. Österreich liege bei Urlaub und Feiertagen bereits ohnehin im EU-Spitzenfeld, meint Helwig Aubauer von der IV im ORF.at-Interview.

Eine Ausweitung des Urlaubsanspruchs sei „kontraproduktiv“, ein „falsches Signal“ und würde die Arbeitskosten steigen lassen. Vielmehr wären Maßnahmen zur Stärkung des Standorts und der Beschäftigung vonnöten, mehr „Gestaltungsmöglichkeit auf betrieblicher Ebene“ und eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit: „Arbeiten, wenn Arbeit da ist“, meint Aubauer. Alles andere sei einen „Themenverfehlung“.

Zuletzt Vorstoß auf Landesebene
Auch im parteipolitischen Spektrum gibt es in Sachen sechster Urlaubswoche von Zeit zu Zeit Vorstöße – zuletzt auf Landesebene, als die steirische KPÖ ihre bereits seit längerem aufrechte Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche ab 43 Lebensjahren zur Debatte stellte und anzuregen versuchte, ein politisches Zeichen in Richtung Bund zu setzen.

Positive Signale kamen daraufhin aus dem Sozialministerium, als es hieß, dass das „aus arbeitsmedizinischer Sicht grundsätzlich zu befürworten“ wäre, wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer meinte. Im Nationalrat hatte zuletzt die FPÖ eine ähnliche Forderung aufgestellt, das Alterslimit war allerdings bereits mit 40 Jahren angesetzt. Im Sozialausschuss traf der Vorstoß allerdings auf breite Ablehnung aller Parteien.
(Information gesehen auf www.orf.at, 11.03.2013)

Tagged with:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert