Der "berühmte" § 8 (3) im Angestelltengesetz
Gründe und Arten der Dienstverhinderung
In diesem Zusammenhang werden immer wieder Fragen an den Betriebsrat gerichtet und es kommt öfters zu Unklarheiten oder Unsicherheiten gegenüber dem Arbeitgeber, daher werden wir im folgenden Beitrag versuchen, Einiges zu erklären.
Den Artikel haben wir vom Betriebsrats-Blog der Gebietskrankenkasse Steiermark übernommen – nochmals herzlichen Dank für die Erlaubnis dazu!
Anspruch auf Entgelt bei Dienstverhinderung
Die Voraussetzungen zur Weiterbezahlung des Gehalts bei Dienstverhinderungen werden für Angestellte im § 8 des Angestelltengesetzes geregelt. Hierbei gehen die Absätze 1 und 2 von einer Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unfall aus.
§ 8 Absatz 3 des Angestelltengesetzes = § 8(3) AngG besagt außerdem:
„Der Angestellte behält ferner den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert wird.“
Was ist darunter zu verstehen?
Es handelt sich hierbei um Gründe, die der Person der Arbeitnehmerin zuzurechnen sind und die sie durch ihre unmittelbare Einwirkung an der Dienstleistung hindern oder die nach Recht, Sitte, Herkommen oder Religion wichtig genug erscheinen, um sie davon abzuhalten.
Diese Gründe sind verschiedenartig, hier nur einige Beispiele:
1. Verhinderung durch familiäre Pflichten
Als erstes ist hier die Beistandpflicht der Ehegatten/Lebensgefährten zu nennen, das betrifft beispielsweise die Pflege sowie die Betreuung der selbstmordgefährdeten Partnerin. Auch die Niederkunft der Partnerin begründet einen Freistellungsanspruch, der sich aus dieser Beistandspflicht ableitet. Das gleiche gilt auch für Übersiedlungen des eigenen Haushaltes, auch der hat in Lebens- oder Ehegemeinschaften die Wurzeln in der Beistandspflicht.
Was bezüglich der Beistandpflicht für Ehegatten gilt, muss in gleicher Weise hinsichtlich der Sorgepflicht für Kinder gelten (Elternsprechtage usw.).
Die Pflege des erkrankten Kindes, das Aufsuchen eines Arztes mit dem Kind oder auch die Vorsprache bei Schulbehörden gelten als derart wichtige Gründe. Ähnliches hat naturgemäß für die Beistandspflicht gegenüber den Eltern zu gelten.
Andere familiäre Gründe sind auch die eigene Eheschließung oder die Teilnahmen an Hochzeiten, Taufen, Familienfeiern und Beerdigungen im Familienkreis aber auch bei Personen, die zu den jeweiligen ArbeitnehmerInnen in sehr naher sozialer Beziehung stehen oder standen.
2. Verhinderung durch öffentliche Pflichten
Vorladung vor Gerichten als Zeuge oder Schöffe, das Aufsuchen von Ämtern oder Behörden, wenn diese Wege nicht außerhalb der Arbeitszeit möglich sind oder etwa telefonisch erledigt werden können.
Gaszählerkommissionierung, Überprüfung durch den Rauchfangkehrer oder andere amtliche Termine in der Wohnung.
3. Aufsuchen des Arztes
Das Aufsuchen eines Arztes während der Arbeitszeit setzt, um eine entgeltpflichtige Verhinderung zu sein, keine Krankheit voraus. Es muss aber ein Grund gegeben sein, diesen Termin nicht außerhalb der Arbeitszeit erledigen zu können.
Alle Beispiele für Dienstverhinderungen nach § 8 (3) können hier nicht angeführt werden. Es gibt aber eine Zusammenstellung von unterschiedlichen Gerichtsentscheidungen und der Betriebsrat oder die Gewerkschaft der Privatangestellten wird Euch immer zum Einzelfall beraten.
Die verhältnismäßig kurze Zeit
Im Allgemeinen wird dabei von einer Zeit im Ausmaß einer wöchentlichen Normalarbeitszeit (wie im § 16 des Urlaubsgesetzes bei der Pflegefreistellung) ausgegangen. Die Formulierung lässt aber offen, dass die „ verhältnismäßig kurze Zeit“ nach §8(3) AngG ausnahmsweise in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen eine Woche übersteigen kann.
Ebenso wie beim Krankenstand ist auch bei den „sonstigen“ Dienstverhinderungen die Arbeitnehmerin verpflichtet, die Verhinderung dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Kommt die Arbeitnehmerin dieser Mitteilungspflicht nicht nach, so verliert sie für die Dauer der Säumnis ihren Entgeltfortzahlungsanspruch. Die Gewährung einer Dienstfreistellung für dringende Behördenwege kann ArbeitnehmerInnen zwar grundsätzlich nicht verweigert werden, derartige und andere Dienstverhinderungen, deren Zeitpunkt vorher bekannt ist, sind jedoch dem Arbeitgeber rechtzeitig zu melden, damit dieser allenfalls nötige Dispositionen treffen kann.
Gewisse Dienstverhinderungsgründe, die systematisch den sonstigen Dienstverhinderungen zuzurechnen wären, wurden speziellen Regelungen in anderen Gesetzen unterworfen. Hiezu zählen insbesondere Schwangerschaft und schwangerschaftsbedingte Vorsorgeuntersuchungen gem. § 3 Mutterschutzgesetz und die Pflegefreistellung im Sinne des § 16 im Urlaubsgesetz.
Pflegefreistellung
Sowohl bei Krankenpflegefreistellung als auch bei der Betreuungsfreistellung hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts bis zum Höchstausmaß seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit pro Arbeitsjahr. In Falle der Krankenpflegefreistellung besteht nach §16 Abs 2 UrlG der Anspruch auf das Ausmaß einer weiteren Arbeitswoche, wenn das erkrankte Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht überschritten hat und ein neuerlicher Anlassfall eintritt.
Die Bestimmung des §8 Abs 3 AngG ist in allen Fällen günstiger: sie ist zwingend und sie stellt nicht auf das Arbeitsjahr, sondern auf den Anlassfall ab. Außerdem vermittelt sie nicht zu Gunsten der im UrlG genannten nahen Angehörigen, sondern auch zu Gunsten anderer Personen, denen gegenüber eine entsprechende moralische Verpflichtung anzuerkennen ist, einen Anspruch, der in der Regel mit einer Woche festzulegen sein wird. §8 Abs 3 AngG setzt schließlich nicht voraus, dass die zu pflegende Person im gemeinsamen Haushalt des Angestellten aufgenommen ist.
Im Kollektivvertrag oder einer Betriebsvereinbarung wird oft für diverse Verhinderungsfälle ein zeitliches Limit festgesetzt. Damit gewinnen die festgesetzten Zeiten den Charakter eines Sonderurlaubes: Ist der Anlassfall gegeben, so gebührt das kollektivvertragliche Ausmaß an Freizeit (z. B. im Todesfall naher Angehöriger zwei Arbeitstage) unbedingt; der Arbeitgeber kann nicht geltend machen, dass der Arbeitnehmer diese Zeit gar nicht benötigt.
Infolge der zwingenden Wirkung des Gesetzes kann hingegen der Arbeitnehmer, wenn er glaubhaft macht, wegen besonders gelagerter Umstände einen längeren Zeitraum zu benötigen, sich darauf berufen, dass eine „verhältnismäßig kurze Zeit“ durchaus länger sein kann als der Kollektivvertrag dies vorsieht (z. B. die Hochzeit der Schwester im Ausland).
Aus der zwingenden Wirkung des Gesetzes ergibt sich weiters, dass der Kollektivvertrag die Verhinderungsgründe nicht taxativ (bestimmend) aufzählen kann. Das Leben ist vielfältig und der Angestellte kann auch im Fall anderer, im Kollektivvertrag nicht erwähnter Gründe den Anspruch unmittelbar auf das Gesetz gründen.
Daher solltet Ihr immer auf allen Mitteilungen oder Ansuchen an die Direktion, die sich auf eine Dienstverhinderung nach § 8 Abs 3 beziehen, das auch auf dem entsprechenden Formular ergänzen. Bei Unklarheiten oder weiteren Fragen in diesem Zusammenhang wendet Euch bitte an den Betriebsrat.
Verwendete Literatur:
Angestelltengesetz : Oswin Martinek, Margarete Schwarz, Walter Schwarz
Arbeitsrecht : Günther Löschnigg, Walter Schwarz
ARD Betriebsdienst: von August und September 2002
(Artikel mit freundlicher Genehmigung übernommen vom Betriebsrats-Blog der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, siehe: blog.betriebsraete.at/stgkk)
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