Pausenlos

Quer durch die Branchen verzichten ArbeitnehmerInnen auf das Mittagessen und oft auch auf die Pause – aus Stress, Ehrgeiz oder Angst um den Job.

Mittagspause

Ob Kreativer in der Werbebranche, Manager im Großkonzern oder Prokuristin bei einer Versicherung, Aussagen wie “Wenn ich nicht aus gesellschaftlichen Gründen etwas essen muss, zum Beispiel bei einer Veranstaltung, dann esse ich erst abends zu Hause, aber das reichlich”, sind typisch.

Laut einer Umfrage des Karriereportals Monster verzichten 41 Prozent der ÖsterreicherInnen auf die Mittagspause. Ein Symptom der Krise, die dafür sorgt, dass von den Gewerkschaften einst hart erkämpfte Rechte plötzlich nicht mehr wahrgenommen werden? Manchmal mag das durchaus zutreffen. Als loyaler Arbeitnehmer, dem sein Job wichtig ist, besteht man eben nicht partout auf die Mittagspause, wenn gerade “Not am Mann” ist.

Doch relativ häufig wird eher freiwillig gefastet, der Karriere zuliebe. Wer im Job was zählt, der ist im Stress, der hat keine Zeit für eine normale Mittagspause oder gar ein Mittagessen, der kann am späten Nachmittag mit stolzer Genugtuung (ob seines Durchhaltevermögens) sagen “ich hatte einfach keine Zeit zum Essen”. Arbeiten von 8.30 bis 17 Uhr, dazwischen eine halbe Stunde Pause, das ist irgendwie nicht mehr zeitgemäß und uncool.

Karrierebewusst
Zweifellos ist es positiv, wenn Menschen ihre Zeit im Betrieb nicht lustlos “abdienen”. Es ist durchaus ein Fortschritt, wenn Arbeit im Großen und Ganzen Spaß macht und möglichst selbstbestimmt abläuft. Es ist aber auch ein Vorteil für die ArbeitgeberInnen, wenn sich ArbeitnehmerInnen voll mit Firmenzielen identifizieren und ihre eigenen Bedürfnisse hintanstellen. Ob der Verzicht auf Pausen, die über eine Zigarettenlänge hinausgehen, unterm Strich tatsächlich was bringt, darf bezweifelt werden: Mittel- bis langfristig riskiert man so Krankenstände (Burn-out, Sehnenscheidenentzündungen, Mausarm etc.) und Mehrkosten durch Fehler und Pannen infolge von Überlastung.

Wer schwer arbeiten oder den ganzen Tag stehen muss, dem sagt der Körper meist deutlich, dass er Pausen braucht. Und selbst diese sind heute nicht immer selbstverständlich. So wurde der US-Handelskonzern Wal-Mart erst 2006 zu einer Entschädigung von umgerechnet 145 Mio. Euro verurteilt, weil er Angestellten die (unbezahlte) Mittagspause verweigert hatte.

Aber auch Büromenschen brauchen Pausen, denn erst die richtige Mischung von Spannung und Entspannung sorgt für gute Ergebnisse. Wer kennt nicht das Phänomen, dass ein Name, der einem nicht und nicht einfallen wollte, plötzlich dann wieder da ist, wenn man schon längst mit anderem beschäftigt, also entspannt ist?

”Essen ist Energie”, so die Ernährungswissenschafterin Claudia Nichterl, “und die ist gerade bei hohen Anforderungen im Beruf notwendig“.

Das Frühstück oder Mahlzeiten ausfallen lassen, das ist wie mit einem Auto ohne Benzin fahren zu wollen. Ohne Nahrung überstehen wir zwar den Tag, aber wir sind unkonzentriert und gereizt.” Der deutsche Sportbund verglich die Leistungsfähigkeit bei Fahrten am Rennsimulator mit und ohne kohlehydrathaltigen Zwischenmahlzeiten. Ohne Snack nahm die Fehlerquote schon nach 70 Kilometern rapide zu, um schließlich nach 110 Kilometern auf fast das Zehnfache zu steigen. Hingegen blieb die Fehlerquote mit einer kleinen Zwischenmahlzeit ziemlich konstant.

Die Betonung liegt hier auf klein, nach üppigen Mahlzeiten sinkt die Leistung eher. Ideale Zwischenmahlzeiten (zehn bis zwölf Prozent des Tageskalorienbedarfs): Obst, ev. mit Jogurt oder Hüttenkäse, Gemüse, Vollkorngebäck oder -kekse, Maroni, Nüsse u. ä. Schokolade, Orangensaft und Kaffee liefern zwar kurzfristig Energie, sind aber kein guter Ersatz für das Mittagessen – und Süßigkeiten sind auch keine ideale Zwischenmahlzeit.

Heißhunger und deutliche Leistungstiefs am späten Vor- oder Nachmittag sind Zeichen für einen niedrigen Blutzuckerspiegel. Gestresste vergessen zum Teil auch auf das Trinken, Kopfschmerzen können hier das erste Alarmsignal sein, denn das Gehirn reagiert sehr empfindlich auf Flüssigkeitsmangel.

Vielfalt und Geschmack
Theoretisch sollte man in der Mittagspause nicht nur essen, sondern auch entspannen, mit KollegInnen plaudern, etc. Das ist relativ einfach, wenn es eine Kantine mit schmackhaftem, abwechslungsreichem Angebot gibt – idealerweise mit der Möglichkeit, beim Essen im Freien zu sitzen. Derart optimale Bedingungen sind zwar selten, aber in den vergangenen Jahren hat sich viel zum Positiven verändert.
Als “Fressnarkose” bezeichnete ein Internist vor mehr als 15 Jahren – in meinem ersten Artikel zum Thema Essen im Job – die nach typischer Kantinen-Kost einsetzende Müdigkeit.

Mittlerweile sind Salatbuffets, variable Portionen, kalorienreduzierte oder vegetarische Speisen und Bio-Kost (auch dank AK/ÖGB-Initiativen wie z. B. Fair essen) längst Alltag. Die großen Catering-Firmen bieten sogar laktose- und glutenfreie Gerichte an. Vielfalt und Flexibilität sind Trumpf, das leisten spezielle Anbieter billiger als die eigene Kantine oder der Wirt ums Eck.
In den Betriebsküchen wird dann lediglich erhitzt, angerichtet und eventuell abgeschmeckt. Mit gesunder Vitalkost und kleineren Portionen lassen sich Durchhänger nach dem Essen vermeiden.

Zehn Prozent erhalten Essensbons
Rund zehn Prozent aller unselbstständig Erwerbstätigen erhalten von ihren ArbeitgeberInnen Essensbons – Tendenz steigend, obwohl der Steuerfreibetrag des sogenannten Wurstsemmelerlasses von 1,10 Euro pro Tag und ArbeitnehmerIn seit Schilling-Zeiten nicht mehr angepasst wurde.

Nur vereinzelt gehen Unternehmen andere Wege, wie etwa die Cross Media Agentur gugler. Dort, in der Nähe von Melk, wird seit Jahren täglich ein frisches Bio-Menü gekocht und die MitarbeiterInnen versammeln sich alle gemeinsam zum Mittagessen und Gedankenaustausch. Die Kräuter für die Speisen wachsen zum Teil direkt vor der Küche. Der Leistungsfähigkeit der Familie Gugler und den MitarbeiterInnen tut das keinen Abbruch – im Gegenteil.

Das Unternehmen heimst fast alljährlich Preise ein und hat sich seit 1989 von einer veralteten Druckerei zu einem modernen Vorzeigebetrieb mit mehr als 50 Angestellten entwickelt. Möglichst schnell raus aus der Firma: Die Mittagspause verlängert nur unnötig den Aufenthalt im Betrieb.

Zwischendurch das Gebäude zu verlassen, erfordert beim Zurückkommen zusätzlichen Energieaufwand für neuerliche Motivation. Hier könnte es helfen, sich mit besonders leckeren Mahlzeiten etwas Gutes zu tun und sich auch zwischendurch zu belohnen, allerdings besser nicht nur mit Süßem oder Fettem, das im Nachhinein womöglich erst wieder ein schlechtes Gewissen macht oder irgendwann Gewichtsprobleme beschert.

Hält die Unlust länger an, sollte man Veränderungen (Job- oder Abteilungswechsel) in Betracht ziehen. Essen oder lieber ins Freie: Zum Glück wird – zumindest in den Städten – das Angebot an leichtem Take-away-Essen immer größer. In anderen Fällen hilft etwas Planung: Ein mit mageren Zutaten reich belegtes Vollkornweckerl (von zu Hause oder auf dem Weg ins Büro gekauft), Gemüse, Obst und/oder Fruchtjoghurt, aber auch Nudelsalat u. ä. können ohne Weiteres auf der Parkbank genossen werden.

Außerdem ratsam bei Frischluftbedarf: Vor allem im Winter können Sie die kurzen Sonnenstunden besser nutzen, wenn Sie einen Teil Ihres Arbeitsweges zu Fuß zurücklegen. Die Mittagspause ist zu kurz, um das Gebäude zu verlassen, etwas einzukaufen und in Ruhe zu essen: In vielen Kaffeeküchen steht auch ein Mikrowellenherd, dort können nicht nur gekaufte (Tiefkühl-)Fertiggerichte, sondern auch von zu Hause mitgebrachte Speisen erwärmt werden.

Falls es in Ihrem Betrieb noch keinen “Mikro” gibt, machen Sie beim Chef oder beim Betriebsrat einen entsprechenden Vorschlag, schließlich kosten diese Geräte nicht mehr als ein Drucker. Und Tiefkühlgemüse enthält immerhin mehr Vitamine als die Wurstsemmel mit Deko-Salatblatt aus dem Automaten. Außerdem: In manchen Betrieben mit Gleitzeit ist es sehr wohl möglich, die Mittagspause unter Umständen zu verlängern.

Tagarbeiter Magen
Unregelmäßige Arbeitszeiten/Schichtarbeit: Der Magen ist ein Tagarbeiter. Neben Schlafstörungen sind Verdauungsprobleme (Sodbrennen, Magengeschwüre etc.) die häufigste gesundheitliche Beeinträchtigung von SchichtarbeiterInnen. Diese sollten daher die größeren Portionen während des Tages essen und nach der Spät- oder Nachtschicht nur einen kleinen Imbiss zu sich nehmen.
(Artikel übernommen von: Arbeit & Wirtschaft 05/2010, von Astrid Fadler, 15.05.2010)

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